29 November 2009

George MacDonald: "Lilith"




Lilith


George MacDonald ist einer der "Ur-Paten" oder "Gründungsväter" der modernen Fantasy-Literatur. Schriftsteller wie Tolkien, C.S. Lewis oder Auden wurden stark von MacDonalds Werken beeinflusst und bewunderten seinen Stil.


Aber George MacDonald war nicht nur ein Gründungsvater der Fantasy, er war auch ein religiöser "Vater" und ein sehr spiritueller Mensch. Seine ersten Schriften stammen aus dem Jahr 1855, und das hier rezensierte Buch, "Lilith", gehört zu seinen wichtigsten und letzten Werken - es wurde 1895 veröffentlicht. George MacDonald starb 1905.


"Lilith"... christlicher Überlieferung zur Folge war sie die "erste Hure", aber der Mythos von Lilith geht weiter zurück als das Christentum, zurück bis an die Ursprünge jüdischer und sogar sumerischer Kosmologie und Glaubens.


Als ich anfing, dieses Buch zu lesen, wusste ich von all dem nichts. Ich wusste nur, dass dieses Buch ein "Klassiker der Fantasy" sein sollte, und dass es für jeden wahren Fan von Fantasy-Literatur ein "Muss" war. Ich war sofort erstaunt über den Sprachstil, in welchem das Buch verfasst wurde (auch deutsche Übersetzung im Klett-Cotta Verlag, welche ich lass, transportiert den Stil des 19. Jahrhunderts) und über die tiefen spirituellen, ja theosophischen Spuren der Geschichte.


Zusammengefasst ist das Buch die Geschichte von Mr. Vane (Single, Weiß, Englisch), der den Landsitz seiner verschollenen Eltern übernimmt. Nach einem Leben voller Studien der Philosophie an britischen Elite-Universitäten kehrt Mr. Vane zurück auf den Landsitz seiner Vorfahren.


Weitläufige Gärten umgeben ein großes Landhaus, und die umfangreiche und allem Anschein nach jahrhundertealte Bibliothek bildet das Herz des Landsitzes.


Da er alleine lebt (die übliche Dienerschaft ist natürlich vertreten, spielt aber kaum eine Rolle), verbringt er fast alle seine Tage in seiner Bibliothek und liest seinen Weg durch Werke der Philosophy, als er eines Tages einen geisterartigen Besucher in der Bibliothek bemerkt. Dieser scheint der frühere Bibliothekar zu sein, welcher den Ort nach wie vor regelmässig besucht.


Mr. Vane folgt dem Phantom und entdeckt auf dem Dachboden ein Portal in eine andere Welt - dies ist nun der Beginn einer Reise, die man als "Reise in die Astralebene" sehen könnte, genauso gut aber auch als eine Reise ins eigene Innere von Mr. Vane. Er betritt also kein "anderes Narnia oder Mittelerde", sondern das Land seiner eigenen Seele.


Bald schon begegnet Mr. Vane vom Bibliothekar, der sich als "Mr. Raven" zu erkennen gibt. Dessen "alter ego" ist eine große, sprechende Krähe. Durch die etwas rätselhaften Unterhaltungen mit Mr. Raven wird Mr. Vane zusehends verunsichert, bis er merkt, dass er im Grunde gar nicht weiss, wer er wirklich ist. Die Begegnung mit seinem "Seelenführer" Mr. Raven stellt für Mr. Vane damit den Beginn einer inneren Wandlung dar, und das ganze Buch ist somit eher der Roman einer Initiation als eine klassische Fantasy-Geschichte.


Obwohl sich einige Teile des Buches wie viele andere Fantasy-Geschichten lesen lasesn (mit einigen Abenteuern und einem seltsamen "Volk" von Kindern, welche er vom Einfluss einer bösen Prinzessin zu befreien sucht), enthält das Buch viele eher spirituell-philosophische Passagen, welche dem durchschnittlichen Fantasy-Fan des 21. Jahrhunderts eher rätselhaft bis uninteressant erscheinen könnten.


Ich liebe "Lilith" genau aus diesem Grund - das Buch war für mich beinahe schon so etwas wie eine Offenbarung und ich frage mich nun, warum spätere Fantasy-Autoren sich mehr und mehr von direkten spirituellen oder philosophischen Spekulationen entfernt haben.



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